Planungsmethoden der Strategischen Situationsanalyse
Hausarbeit zum Hauptseminar
WT 2000
Marco Markus
Seminarleiter: Prof. Dr. A. Hermanns
Datum WS 1999/2000
Veroeffentlichung: 03/2000
Benotung: 2,3
Veranstaltung: Hauptseminar
Uni: Universität der Bundeswehr München
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis 1
Abkürzungsverzeichnis 2
1 Einleitung 3
2 Situationsanalyse 3
3 Situationstypen 4
4 Verfahren der strategischen Analyse 5
4.1 Bereichsspezifische Analyse-Techniken 6
4.1.1 Die Potentialanalyse 6
4.1.2 Die Konkurrentenanalyse 7
4.1.3 Die Marktanalyse 9
4.1.4 Die Umfeldanalyse 9
4.1 Integrative Analysetechniken 11
4.1.1 Die Stärken-Schwächen-Analyse 11
4.1.2 Die Chancen-Risiken-Analyse 12
4.1.3 Die Portfolio-Analyse 13
4.2.3.1 Das Marktwachstum-Marktanteil-Portfolio 14
4.2.3.2 Das Marktattraktivität-Wettbewerbsvorteil-Portfolio 16
5 Schluß 18
Literaturverzeichnis 20
Abkürzungsverzeichnis
Aufl. Auflage
durchges. durchgesehene
erw. erweiterte
f. folgende
ff. fortfolgende
neubearb. neubearbeitete
SGE Strategische Geschäftseinheit
überarb. überarbeitete
verb. verbesserte
vgl. vergleiche
1 Einleitung
Um die strategische Situationsanalyse richtig einordnen und ihre Bedeutung für ein Unternehmen richtig darstellen zu können, ist es zunächst notwendig etwas zur Marketing-Planung zu sagen. Die Marketing-Planung, die einen wesentlichen Bestandteil der Unternehmens-Planung darstellt, gewinnt angesichts der wachsenden Dynamik und Komplexität des Umwelt- und Unternehmensgeschehens immer mehr an Bedeutung. ,,Marketing-Planung bedeutet das systematische und rationale Durchdringen des künftigen Markt- und Unternehmensgeschehens mit dem Zweck, daraus Richtlinien für das Verhalten im Marketingbereich abzuleiten" (Nieschlag et al. 1997, S. 871). Dieser informationsaufnehmende, informationsverarbeitende und willensbildende Prozeß läßt sich in logisch differenzierbare Phasen aufgliedern, von denen die erste Phase die strategische Situationsanalyse ist. Als weitere Phasen folgen die Zielplanung, die Strategieplanung, die Maßnahmenplanung und die Kontrolle.
2 Die Strategische Situationsanalyse
Die Situationsanalyse ist Voraussetzung für alle Marketing-Entscheidungen.
Sie führt eine Analyse der internen und externen Rahmenbedingungen (Abb.1)
durch, die im Hinblick auf die jeweilige Entscheidungsfindung von Bedeutung
sind. Interne Rahmenbedingungen betreffen das Unternehmen selbst, externe dagegen
den Markt (Mikro-Umwelt) und das Umfeld der Unternehmung (Makro-Umwelt). Im
Ergebnis wird also die Ist-Situation des Unternehmens abgebildet. Die Ermittlung
der gegenwärtigen Situation reicht jedoch nicht aus, da Marketing-Entscheidungen
in die Zukunft gerichtet sind. Daher ist eine Prognose der wichtigsten Rahmenbedingungen,
also der zukünftigen Situation des Unternehmens nötig. Die Erreichung
einer konkrete Zielsetzung und die Entwicklung von Strategien und Maßnahmen
sind ohne die genaue Kenntnis der internen und externen Faktoren und ihrer Wirkungsweisen
kaum möglich. Welche Faktoren dem Management wichtig erscheinen hängt
vom Unternehmen und der jeweiligen Entscheidungssituation ab. Zu beachten ist
jedoch, daß auch die zugrundeliegenden Daten einem ständigen Wandel
unterliegen, der antizipiert werden muß, wenn die Strategie erfolgreich
weitergeführt werden soll.
Abb. 1: Gegenstandsbereiche der Situationsanalyse (Hörschgen et al. 1993, S. 23)
3 Situationstypen
Da einige Faktoren wie das Verhalten von Kunden und Konkurrenten, aber auch
die konjunkturelle Entwicklung des Marktes nur sehr schwer vorherzusagen sind,
ist es hilfreich und notwendig ,,... verschiedenartige Umweltsituationen und
mehrere Verhaltensalternativen in die Planung einzubeziehen" (Nieschlag
et al. 1997, S. 876). Dabei unterscheiden wir folgende Situationstypen:
a, Der deterministische Fall liegt vor, wenn Umweltbedingungen bekannt
und eindeutig sind. Man erkennt schon, daß dieser Fall in der Realität
eher selten vorkommt.
b, Sind keinerlei Anhaltspunkte über die Eintrittswarscheinlichkeit der
in
Betracht gezogenen Umweltsituation gegeben, so treffen wir eine
Entscheidung unter Unsicherheit.
c, Lassen sich objektive oder subjektive Aussagen über die
Eintrittswarscheinlichkeit der berücksichtigten Umweltsituation machen,
so treffen wir eine Entscheidung unter Risiko
(Nieschlag et al. 1997, S. 876 f.).
4 Verfahren der strategischen Analyse
Wir unterscheiden zwei Arten von Analyse-Techniken. Das sind zum einen die
bereichsspezifischen Analyse-Techniken, zu denen die Potentialanalyse,
die Konkurrentenanalyse, die Marktanalyse und die Umfeldanalyse gehören,
und zum anderen die integrativen Analyse-Techniken, zu denen
die Starken-Schwächen-Analyse, die Chancen-Risiken-Analyse und die
Portfolio-Analyse gehören (Abb. 2). Die durch bereichsspezifische
Analyse-Techniken gewonnenen Daten bilden die Basis der Planung. Aufgabe der
integrativen Analyse-Techniken ist es, die erhobenen Informationen zu verdichten,
zu strukturieren und gewonnene Erkenntnisse darzustellen, um so eine entscheidungsgerechtere
Informationsverarbeitung zu ermöglichen und die Komplexität der Daten
zu reduzieren. Da viele Strategieentscheidungen in die Zukunft gerichtet sind,
bilden die vorhandenen gegenwartsbezogenen Daten keine ausreichende Basis. Abhilfe
hierfür liefert die Szenario-Technik, die ,,... mit Hilfe einer entsprechenden
Methodik in sich konsistente Zukunftsbilder ..." (Hörschgen et al.
1993, S. 27) zu erzeugen versucht.
Abb. 2: System der strategischen Situationsanalyse (Nieschlag et al. 1997, S. 878)
4.1 Bereichsspezifische Analyse-Techniken
4.1.1 Die Potentialanalyse
,,Unter den Potentialen eines Unternehmens versteht man seine Stärken bzw. seine Ressourcen, die anzeigen, wo sich seine Kompetenzen befinden" (Ehrmann 1995, S. 133). Bei der Potentialanalyse sind die Ressourcen auf Eignung und Verfügbarkeit in allen Unternehmensbereichen zu prüfen. Außerdem ist zu prüfen, welche besonderen Fähigkeiten das Unternehmen hat. Diese Fähigkeiten begründen sich meist in den Wertvorstellungen der Unternehmensführung und der Mitarbeiter, die das unternehmerische Handeln maßgeblich beeinflussen. Geprägt werden diese Wertvorstellungen von der Unternehmenskultur und der Unternehmensphilosophie. ,,Hierbei handelt es sich um in der individuellen Vergangenheit eines Unternehmens verankerte, konstituive Merkmale, die nicht nur die Denk- und Problemlösungsmuster der Gegenwart bestimmen, sondern auch die Zukunftschancen eines Unternehmens bis zu einem gewissen Grad determinieren, je nachdem, in welchem Ausmaß sie zu notwendig werdenden Anpassungsprozessen an veränderte Umfeldbedingungen in hemmender oder fördernder Beziehung stehen" (Hörschgen et al. 1997, S. 28). Um nun relevante Informationen zum Fähigkeitspotential einer Unternehmung zu erhalten, empfiehlt es sich die Unternehmensführung sowie die verschiedenen Funktionsbereiche, zu denen u.a. die Produktion, die Forschung und Entwicklung, das Marketing, das Personal sowie die Finanzen gehören, systematisch zu betrachten und die erhaltenen Daten zu dokumentieren. Als Informationsquelle dienen in erster Linie das interne und externe Rechnungswesen, Controllerberichte und -auswertungen, von den Funktionsbereichen angeforderte Berichte, Statistiken und Hausmitteilungen. Es empfiehlt sich jeden Bereich einer auf ihn abgestimmten Analyse zu unterziehen, um die komplexen Strukturen des Unternehmens richtig erfassen zu können.
4.1.2 Die Konkurrentenanalyse
Die Konkurrentenanalyse analysiert alle Daten der Konkurrenten, die für die eigenen Entscheidungen im Rahmen der strategischen Planung von Bedeutung sind. Es empfiehlt sich hierbei, die gleichen Daten zu wählen, die man schon bei der Potentialanalyse des eigenen Unternehmens erhob, um eine Vergleichbarkeit der Daten zu gewährleisten. Dazu ist es nötig, alle zum Kreis der realen und potentiellen Konkurrenten gehörenden Unternehmen zu kennen, um einen vollständigen Überblick über das Wettbewerbsumfeld zu haben. Die Aufgabe besteht also darin möglichst viele Informationen über die Konkurrenten zu sammeln und zu bewerten. Zu diesen Informationen sollten Unternehmensphilosophie und -kultur, erkennbare Ziele und Strategien, gegenwärtige Stellung des Konkurrenten im Markt, Finanzkraft, Qualifikation der Mitarbeiter und Führungskräfte sowie Qualität der Produkte und Dienstleistungen gehören (Hörschgen et al. 1997, S. 34). Als Informationsquellen für diese oft nicht leicht oder gar nicht oder nicht in der nötigen Präzision zu beschaffenden Daten dienen u.a. veröffentlichte Jahresabschlüsse, Unternehmensberichte in Fachzeitschriften, Pressekonferenzen, Außendienstberichte und Datenbanken. In der Praxis werden zur Durchführung der Konkurrentenanalyse häufig Checklisten und Formulare verwendet, die ein Profil des Konkurrenten erstellen (Abb. 3).
Abb. 3: Konkurrenzprofil (Ehrmann 1995, S. 131)
Aus den gewonnenen Kenntnissen der Konkurrentenanalyse kann man nun die Reaktionsprofile der Wettbewerber bilden, die es dem eigenen Unternehmen ermöglichen die Reaktion der Konkurrenten bei strategischen Entscheidungen vorauszusehen.
4.1.3 Die Marktanalyse
,,Die Marktanalyse hat die systematische Erfassung aller interessierenden Sachverhalte über die gegenwärtigen und potentiellen Marktpartner einer Unternehmung zum Gegenstand. Man bemüht sich dabei insbesondere darum, umfassende Informationen über Struktur und Entwicklungstendenzen der Marktteilnehmer zu gewinnen" (Nieschlag et al. 1991, S. 862). Mit Hilfe der Methoden der Marktforschung werden abgegrenzte Märkte, Teilmärkte und Marktsegmente untersucht. Im Mittelpunkt des Interesses stehen die Kunden, da sie ausgehend vom Absatz als primärer Engpaßfaktor gelten. Es werden jedoch auch andere Marktteilnehmer, wie Lieferanten, Absatzmittler oder Absatzhelfer betrachtet. Zu den empfehlenswerten Elementen der Erfassung gehören Marktvolumen, Marktwachstum, eigener Marktanteil, fremde Marktanteile, bisherige und erwartete Preisentwicklungen sowie die Ausgestaltung der weiteren Marketinginstrumente. Diese Daten können mittels der Sekundärmethode, die bereits vorhandene Informationen zusammenstellt und auswertet, und mit der Primärmethode, die mit Hilfe von Befragungen, Beobachtungen und Experimenten bzw. Tests Informationen an ihrem Ursprungsort gewinnt, erhoben werden. Mit den gewonnenen Daten können nun Strukturen und Veränderungsprozesse in den einzelnen Teilmärkten verglichen und somit rechtzeitig Chancen und Risiken erkannt werden, die dann in die Ziel- und Strategienplanung einbezogen werden können.
4.1.4 Die Umfeldanalyse
Die im Rahmen der Umfeldanalyse betrachteten Daten stehen in keinem unmittelbaren Bezug zum Unternehmen oder dessen Märkten. Sie setzen einen Rahmen für strategische Entscheidungen, der für die Unternehmen in einem bestimmten geographischen Raum gleich ist. Die Umfeldanalyse umfaßt eine physische, eine technologische, eine ökonomische, eine sozio-kulturelle und eine politisch-rechtliche Komponente. Politisch beeinflußt wird ein Unternehmen sowohl national als auch international. Daher ist es wichtig die politischen Entwicklungen der relevanten Länder zu analysieren, um Chancen und Risiken in diesen Ländern richtig einschätzen zu können. Die gesetzlichen Umweltbedingungen, die sich sowohl auf den internen Bereich der Unternehmung als auch auf deren externen Beziehungen auswirken und die sowohl nationalem als auch supranationalem Ursprungs, wie z.B. Gesetze der EU, sind, werden in aller Regel als gegeben und unbeeinflußbar angesehen. Die Analyse des sozio-kulturellen Umfeldes soll Aufschluß darüber geben, welchen Einfluß die gesellschaftliche Entwicklung auf das eigene Unternehmen haben kann. Die ökonomische Komponente richtet ihr Augenmerk auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, d.h. auf Dinge wie das Sozialprodukt, die Sparrate, die Bevölkerungsentwicklung oder Einkommensentwicklungen. Die physische Komponente befaßt sich mit ökologischen Aspekten, wie z.B. der Umweltbelastung, der Infrastruktur, dem sparsamen Einsatz von Rohstoffen und Energie, dem Entwickeln umweltschonender Verfahren sowie dem Herstellen umweltfreundlicher Erzeugnisse. Die technologische Komponente erstreckt sich auf Daten zu gegenwärtigen Techniken und dem Einsatz neuer Verfahren, Materialien und Energien. Gegenwärtig richtet sich das Augenmerk auf die Entwicklung in Gesamtdeutschland sowie Europa (Ehrmann 1995, S. 116 ff.). Da die Anzahl der Daten der Makro-Umwelt zu groß ist, um sie umfassend zu erheben, empfiehlt es sich, sich auf Schlüsselgrößen, die für die Situation des Unternehmens eine tragende Rolle spielen, zu beschränken. Diese Schlüsselgrößen können durch Befragung des Führungspersonals oder unabhängiger Experten bestimmt werden.
4.2 Integrative Analysetechniken
4.2.1 Die Stärken-Schwächen-Analyse
Die Stärken-Schwächen-Analyse bzw. Ressourcenanalyse analysiert und
bewertet die Ressourcen eines Unternehmens oder eines strategischen Geschäftsfeldes,
indem es die Ergebnisse der Potential- und Konkurrentenanalyse integriert. Sie
bewertet die Vor- und Nachteile des Unternehmens im Vergleich zu seinen stärksten
Konkurrenten und deckt dabei Handlungsspielräume auf (Pümpin 1992,
S. 53 f., Becker 1992, S. 386 ff.). Sie versucht Gründe, für die in
der Vergangenheit aufgetretenen und in der Gegenwart auftretenden Stärken
und Schwächen zu finden. Die Ergebnisse können dabei in einem Stärken-Schwächen-Profil
(Abb. 4) visualisiert werden.
Abb. 4: Stärken-Schwächen-Profil (Hörschgen et al. 1993,
S. 43)
4.2.2 Die Chancen-Risiken-Analyse
Die Chancen-Risiken-Analyse (Abb. 5) betrachtet gleichzeitig die Ergebnisse
von Markt-, Umfeld- und Stärken-Schwächen-Analyse vor dem Hintergrund,
Strömungen und Tendenzen von Markt und Umfeld rechtzeitig zu erkennen,
die mit Stärken oder Schwächen des Unternehmens zusammentreffen.
Abb. 5: System der Chancen-Risiken-Analyse (Pümpin 1992, S. 105)
Trifft eine Entwicklung von Markt oder Umfeld auf eine Stärke des Unternehmens,
so nimmt man, vorausgesetzt der Vorteil wurde vom Management erkannt, an, daß
das Unternehmen damit besser fertig wird, als seine Konkurrenz. Erkennt man,
daß eine Veränderung von Markt bzw. Umfeld auf eine relative Schwäche
des Unternehmens fällt, so sind rechtzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Durch die Chancen-Risiken-Analyse soll ein Unternehmen also befähigt werden,
strategische Entscheidungen, bezüglich seiner Stärken und Schwächen,
rechtzeitig treffen zu können (Hörschgen et al. 1993, S. 44).
4.2.3 Die Portfolio-Analyse
Eines der am häufigsten eingesetzten strategischen Instrumente ist die Portfolio-Analyse. Der Begriff stammt aus dem finanzwirtschaftlichen Bereich. Hier wird in einem Portefeuille die optimale Mischung aus Wertpapieren und anderen Kapitalanlagen unter dem Gesichtspunkt des Gewinn-Risiko-Ausgleichs verwendet. In der strategischen Planung besteht das Portfolio aus einem Mix verschiedener strategischer Geschäftseinheiten (SGE), die so aufzubauen und zu kombinieren sind, daß sie die Zielvorstellungen der Unternehmer bestmöglich erfüllen. Strategische Geschäftseinheiten ,,... bilden jeweils einen Ausschnitt aus dem gesamten Betätigungsfeld der Unternehmung und zeichnen sich durch eine eigenständige Marktaufgabe, durch gegenüber anderen SGE klar abgrenzbare Produkte oder Erzeugnisgruppen und durch einen jeweils eindeutig bestimmbaren Kreis von Anbietern aus" (Nieschlag et al. 1997, S. 91). Die Portfolio-Analyse kann man auf zweierlei Arten nutzen. Zum einen kann sie als Denkmodell zum Hervorbringen von Strategien, zum anderen als Analyse-Instrument eingesetzt werden. Im Falle der Nutzung als Analyse-Instrument werden die in den Einzelanalysen gewonnenen Daten über Unternehmer, Konkurrenten, Abnehmer und Umfeld verarbeitet, auf das Wesentliche reduziert und dann visualisiert (Hörschgen et al. 1993, S. 47). Visualisiert wird die Portfolio-Analyse in einer Matrix, meist mit vier oder neun Feldern. Diese Felder stellen die unterschiedlichen Situationen dar, in der sich die jeweilige SGE befindet. Die SGE werden als Kreise dargestellt, wobei die Größe der Kreise die Bedeutung, wie z.B. Marktvolumen oder Cash Flow ausdrückt. Auf den Achsen werden die Meßkriterien abgetragen. Trotz der unumstrittenen Bedeutung des Portfolio-Ansatzes stößt dieser auch auf Kritik. So wird bei der Bildung der SGE kritisiert, daß Interdependenzen zwischen einzelnen Produkten und Produktlinien unberücksichtigt bleiben. Weiterhin wirkt die Zweidimensionalität der Betrachtungsweise vereinfachend und verzerrend auf quantitative und qualitative Kriterien. Ein weiterer Vorwurf ist die Gefahr der mathematischen Scheingenauigkeit, da die mathematisch ermittelte Situation oft nicht der reale entspricht. Im Folgenden werde ich aus der Vielzahl an Portfolio-Analysen zwei näher beschreiben, die eine besondere Bedeutung in der Praxis erlangt haben.
4.2.3.1 Das Marktwachstum-Marktanteil-Portfolio
Als erstes möchte ich aus der Vielzahl der Darstellungsformen das Marktwachstum-Marktanteil-Portfolio
(Abb. 6) herausgreifen. Dieser Portfolio-Ansatz, der von der Boston Consulting
Group entwickelt wurde, kann als die Grundform der Portfolio-Analyse angesehen
werden. Die Einsatzschwerpunkte dieses Portfolios liegen in der gezielten Wachstumssicherung
eines Unternehmens als Gesamtheit und dem Risikoausgleich zwischen verschiedenen
SGE. Das Marktwachstum und der relative Marktanteil werden als Beurteilungskriterien
herangezogen und in den Ausprägungen ,,niedrig" und ,,hoch" auf
den Koordinatenachsen abgetragen. Das Marktwachstum drückt das in Prozent
angegebene Wachstum des Marktes aus. Der relative Marktanteil stellt das Verhältnis
des eigenen Marktanteils zu dem, des stärksten Konkurrenten dar. Das Portfolio
untersucht die Wirkung der Variablen Marktanteil und Marktwachstum auf das Cash-Flow-Gleichgewicht
der Unternehmung. Als Grundhypothese nimmt man an, daß eine Erhöhung
des Marktanteils zur Erhöhung der absetzbaren Menge und zu einer potentiellen
Senkung der Stückkosten führt, was wiederum zur Folge hat, daß
sich Gewinnspanne und Cash Flow potentiell erhöhen. In diese Überlegung
fließt das Erfahrungskurvenkonzept mit ein. Eine weitere Hypothese ist
die Annahme, daß die Teilnahme eines Unternehmens am Marktwachstum Investitionen,
also einen Cash-Flow-Verbrauch, erfordert. Unternehmenswachstum ist am leichtesten
und billigsten zu erreichen, wenn der gesamte Markt wächst. Das Marktwachstum
stellt also einen Indikator für den Finanzmittelbedarf dar (Kreikebaum
1993, S. 89).
Abb. 6: Marktwachstum-Marktanteil-Portfolio (Kreikebaum 1993, S. 88)
Die Bezeichnung der vier Felder der Matrix zielt auf den zu erwartenden Cash
Flow der jeweiligen SGE ab.
· Die ,,Stars" sind auf einem stark expandierendem Markt befindliche
SGE mit einem hohen Marktanteil. Daraus ergibt sich ein hoher Cash-
Flow-Bedarf, der größten Teils selbst gedeckt wird.
· Als ,,Fragezeichen" gelten Geschäftseinheiten mit geringem
relativen
Marktanteil auf einem stark wachsenden Markt. Das Problem stellt hier
der geringe Cash Flow dar, der nicht ausreicht, um die dem
Marktwachstum entsprechenden Investitionen zu finanzieren.
· ,,Cash Kühe" sind SGE auf einem Markt mit geringem Wachstum,
aber
hohem relativen Marktanteil. Die Marktführerschaft bewirkt hier sehr
niedrige Kosten und hohe Stückgewinne. Im Zusammenspiel mit den
niedrigen Investitionen zum Erhalt der Position ergibt sich ein Cash-
Flow-Überschuß.
· Als ,,Arme Hunde" bezeichnet man die SGE, bei denen Marktwachstum
und relativer Marktanteil gering sind. Bei ihnen ist der Cash Flow
aufgrund ihrer ungünstigen Kostenposition oft negativ
(Kreikebaum 1993, S. 89).
Hat man nun die SGE den einzelnen Feldern zugeordnet, käme es im nächsten
Schritt zur Zuweisung sog. Normstrategien, die als grobe Verhaltensregeln angesehen
werden können. Das ist jedoch nicht mehr Bestandteil der strategischen
Situationsanalyse. Als Kritikpunkt ist dieser Analyse anzumerken, daß
lediglich zwei aus mehr als dreißig Einflußfaktoren zur Beurteilung
der SGE herangezogen werden. So werden z.B. Produktqualität, Marketing-Aufwendungen
oder Investitionsintensität nicht berücksichtigt. Ein weiterer Kritikpunkt
ist die ungenaue Aufleitung der Achsen in ,,hoch" und ,,niedrig",
da damit die Behandlung der häufig auftretenden mittleren Positionen erschwert
wird (Hörschgen et al. 1993, S. 137).
4.2.3.2 Das Marktattraktivität-Wettbewerbsvorteil-Portfolio
Das Marktattraktivität-Wettbewerbsvorteil-Portfolio wurde von dem Beratungsunternehmen McKinsey in Zusammenarbeit mit der General Electric Company als Reaktion auf die einfache, grobe Einteilung der Felder und die wenig aussagefähigen Beurteilungskriterien des Marktwachstum-Marktanteil-Portfolio entwickelt. Der entscheidende Unterschied besteht darin, daß hier die beiden zentralen Dimensionen Marktattraktivität und Wettbewerbsvorteil durch eine Vielzahl von Indikatoren bestimmt werden. Die SGE werden in eine Neun-Felder-Martrix (Abb. 7) eingetragen.
Abb. 7: Marktattraktivität-Wettbewerbsvorteil-Portfolio (Hörschgen et al. 1993, S. 140)
Die Stärke der Marktattraktivität kann anhand folgender Indikatoren ermittelt werden:
- Marktwachstum und Marktgröße
- Marktqualität
- Energie- und Rohstoffversorgung
- Umweltsituation.
Der relative Wettbewerbsvorteil anhand von:
- Relative Marktposition
- Relatives Produktionspotential
- Relatives Forschungs- und Entwicklungspotential
- Relative Qualifikation der Führungskräfte und Mitarbeiter.
Es ist nicht einfach, die einzelnen Faktoren von Marktattraktivität und
Wettbewerbsvorteil zu ermitteln und richtig zu gewichten. Deshalb bedarf es
gut ausgebauter Informationssysteme. Hat man nun die einzelnen Kriterien,
am besten im Team, bewertet, kann man die SGE in das Portfolio eintragen.
Ähnlich positionierte SGE können in einem nächsten Schritt
zu strategischen Gruppen zusammengefaßt werden. Auch das Marktattraktivität-Wettbewerbsvorteil-Portfolio
erlaubt, ähnlich dem Ansatz der Boston Consulting Group, die Ableitung
von Normstrategien, also strategischen Rahmenempfehlungen. Positiv kann dieser
Portfolio-Analyse angerechnet werden, daß sie aufgrund der differenzierten
Beurteilung der SGE, der komplexen Realität eher gerecht wird. Allerdings
liegen in diesem Punkt auch die Probleme dieses Verfahrens. Die zu ermittelnden
Werte sind oft nicht oder nur mühsam und auf kostspieligem Wege zu beschaffen
(Hörschgen et al. 1993, S. 47 ff., Nieschlag et al. 1997, S. 907 ff.,
Kreikebaum 1993, S. 87 ff.).
5 Schluß
Angesichts der wachsenden Komplexität und Dynamik des Umwelt- und Unternehmensgeschehens nimmt die Notwendigkeit einer systematischen Planung und speziell einer leistungsfähigen Situationsanalyse stark zu. Verstärkte Umweltturbulenzen erfordern den Abbau starrer Planungsautomatismen zugunsten flexibler Konzepte, die es ermöglichen, auf die sich rasch ändernden Bedingungen angemessen zu reagieren. Vor allem der Marketing-Planung kommt in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zu. Somit gewinnt auch die strategische Situationsanalyse als erste Phase der Marketing-Planung immer mehr an Bedeutung. Die vorgestellten Methoden eignen sich meiner Meinung nach gut, die Situation, in der sich ein Unternehmen befindet, abzubilden. Sie stellen eine geeignete Möglichkeit dar, den für eine Unternehmung unerläßlichen Informationsbedarf zu decken und in geeigneter Form zugänglich und verwertbar zu machen.
Becker, J. (1992)
Grundlagen des strategischen Marketing-Managements, 4., verb. und erw. Aufl., München 1992
Ehrmann, H. (1995)
Planung, Kompendium der praktischen Betriebswirtschaft, Kiehl 1995
Hinterhuber, H.H. (1992)
Strategische Unternehmensführung I, Strategisches Denken, Vision, Unternehmenspolitik, Strategie, 5., neubearb. und erw. Aufl., Berlin, New York 1992
Hörschgen, H./Kirsch, J./Käßler-Pawelka, G./Grenz, J. (1993)
Marketing-Strategien, Konzepte zur Strategienbildung im Marketing, 2., überarb. und erw. Aufl., Ludwigsburg, Berlin 1993
Kreikebaum, H. (1993)
Strategische Unternehmensplanung, 5. Aufl., Stuttgart, Berlin, Köln 1993
Meffert, H. (1986)
Marketing, Grundlagen der Absatzpolitik, 7., überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden 1986
Nieschlag R./Dichtl E./Hörschgen H. (1997)
Marketing, 18., durchges. Aufl., Berlin 1997
Nieschlag R./Dichtl E./Hörschgen H. (1991)
Marketing, 16., durchges. Aufl., Berlin 1991
Pümpin, C. (1992)
Strategische Erfolgspositionen, Methoden der dynamischen strategischen Unternehmensführung, Bern, Stuttgart 1992